Hätte, hätte, Fahrradkette – Stolperfallen bei der Rundreise mit Baby und Wohnmobil

Nach 2000 Meilen auf Amerikas Straßen haben wir unser Ziel Berkeley erreicht. Das Wohnmobil ist zurück beim Verleiher und wir um einige Erfahrungen reicher. Eine der wichtigsten davon lautet, „hätten wir bloß besser hingeschaut“. Aber wie sagt Kollege Stromberg in solchen Fällen immer so treffend: hätte, hätte, Fahrradkette! Aus unseren Fehlern haben wir gelernt und weil wir im Vorfeld viel über Stolperfallen und Probleme bei der Reise mit einem Kleinkind gelesen haben, möchten wir unser neu erlangtes Wissen mit anderen Teilen. Erfahrene Camper werden bei diesem Bericht wahrscheinlich nur müde Schmunzeln, Anfänger wie wir jedoch den einen oder anderen nützlichen Tipp mitnehmen.

Wie eingangs erwähnt, haben wir im Vorfeld viel gelesen. Problematisch daran ist, dass in den zum Teil schwulstigen Reiseberichten nur selten über die wichtigen Dinge gesprochen wird. Um nur ein paar Beispiele zu nennen: welche Distanz kann ich mit meinem Kind täglich zurücklegen?, wo bekomme ich in Großstädten am besten Taxis mit Kindersitzen?, und wo kann ich günstig Kindersitze kaufen? Wahrscheinlich verkauft sich der organisatorische Teil einer solchen Fahrt einfach viel schlechter, als ausführliche Schilderungen über Jetlag (im wahrsten Sinne des Wortes *GÄHN*), wilde Natur und sagenhafte Sonnenuntergänge. Solche Momente hatten wir selbstverständlich zur Genüge, aber auch das eine oder andere Negativerlebnis. Schlechtes Wetter, schlechte Stellplätze und manchmal sogar beides zusammen. Bei der Reise mit einem Baby oder Kleinkind sind deshalb einige grundlegende Dinge zu beachten, damit es richtig Spaß macht.

Wasser, Wiese, WiFi!

Unser Fazit nach vier Wochen auf der Straße sind drei wesentliche Faktoren: Wasser, Wiese und WiFi (WLAN), wobei der letzte auch einmal ein oder zwei Tage außen vor sein kann. Die ersten beiden sind jedoch kriegsentscheidend. Fangen wir deshalb mit der Wiese an. Ein Kleinkind, das Krabbeln oder sogar erste Schritte machen kann, braucht vor allem eins: Bewegung! Innerhalb des Wohnmobils ist das zwar eingeschränkt möglich (siehe unseren Umbau zum Hennymobil), wird aber allen irgendwann zu eng. Sowohl dem Knirps, als auch den Eltern, die beim Kochen, Spülen und anderen Handgriffen ständig auf der Hut sein müssen. Wichtig ist also, dass der ausgewählte Stellplatz über ausreichende Rasenfläche verfügt. Sei es direkt am Mobil, oder in kurzer Distanz dazu. Deshalb ist es umso ärgerlicher, dass Wiese kein Faktor für die Bewertung eines Platzes innerhalb von Katalogen und Verzeichnissen ist. Wichtig hier: der Zusatz kinderfreundlich ist noch lange keine Garantie dafür.

Zu Beginn landeten wir also öfter auf Plätzen, die zwar optisch und hygienisch zu glänzen wussten, jedoch kaum Frei- oder Spielraum für unseren kleinen Henry boten. Selbstverständlich kann man in solchen Fällen die Strand- oder Wickeltasche packen, den Sonnenschirm unter den Arm klemmen und alsbald die nächste Wiese suchen. Langfristig gesehen bedeutet das jedoch erhöhten organisatorischen Aufwand sowie den Verzicht auf dringend benötigte Ruhepausen. Und die sind wichtig! Auf einen Tag Action folgte bei uns ein Tag Ruhe, an dem wir Wäsche gewaschen, Babybrei gekocht oder einfach nichts gemacht haben. Mit wachsender Reisedauer sind wir am Ende deshalb dazu übergegangen die Plätze nicht nur über die auf den Websites und Good Sam (= Woodall’s bzw. DIE Seite/App für RV Parks) angebotenen Fotos zu checken, sondern auch mit der höchstmöglichen Detailstufe von Google Maps. Sieht das auf dem Bild nach Schotter oder Wiese aus? Haben wir genug Platz zu den Nachbarn (falls Henry nachts weint) und für die Spieldecke? Wie weit ist es tatsächlich bis zum Strand und der Stadt? (mit „nah“ ist in den USA fast immer das Auto gemeint). Eine solche Suche kostet in der Regel viel Zeit und manchmal haben wir ganze Nachmittage geopfert, um die nächsten Plätze auszukundschaften. Das jedoch mit Erfolg. Wir haben zwar lange gebraucht, aber immer gut gestanden.

RV Park Search via Good Sam

RV Parks in den USA finden mit der Kartensuche von „Good Sam“

Kenner werden nun vielleicht fragen, warum nicht einfach in die State Parks? Hier sind die Stellplätze in der Regel mit viel Grün ausgestattet und Full Hookups (die Versorgung mit Strom, Frischwasser und Abwasser) sind ebenfalls fast überall vorhanden. Die Antwort lautet also ja, State Parks sind eine Alternative, aber leider nicht für lange. Abgesehen vom oft nicht mehr vorhandenen Mobilfunknetz (selbst AT&T und Verizon) gibt es hier nämlich vor allem eins nicht: WiFi. Und ohne Internet muss man mit einem zehn Monate alten Kind schon extrem ortskundig oder ein Fan von Grenzerfahrungen sein, um einfach ins Blaue zu fahren. Zwei Beispiele dazu: an der Küste ist der Wetterbericht ungefähr so zuverlässig wie die Züge der Deutschen Bahn. Entweder sie kommen pünktlich, oder gar nicht. Aus einer prognostizierten Regenwahrscheinlichkeit von 99 Prozent wird strahlender Sonnenschein (der Regen kam einen Tag später) und die angesagte Hitzewelle versuppt im Küstennebel. Der nächste Punkt sind die Ferien. Wer ab Juni ohne Reservierung auftaucht, steht nicht selten vor ausgebuchten Plätzen. Wetter- und stellplatzbedingt haben wir unsere Pläne entsprechend häufig justiert und ohne Internetverbindung wären wir dabei deutlich weniger glücklich gewesen. Natürlich hätte es Henry nicht umgebracht, wenn er einmal ein oder zwei Tage drinnen geblieben wäre, aber das wollten wir einfach umgehen.

Sieht man einmal von solchen „First World Problems“ ab, bliebe da noch das Thema Wasser. Das von uns gewählte Wohnmobil verfügte über einen internen Wasserkreislauf von 140 Litern (Frischwasser und Abwassertank), mit denen man ohne die Benutzung der Dusche halbwegs haushalten kann. Die Betonung liegt hier jedoch auf halbwegs. Wie schon einmal am Rande erwähnt, kochen wir für Henry täglich frisches Essen. Morgens gibt es einen Brei aus Hafer- und Reisflocken, mittags Gemüsebrei, nachmittags einen Obstbrei mit ein wenig Polenta und abends noch einmal den Mix aus Hafer und Reis (Hirseflocken gibt es hier leider nicht). Das bedeutet viele Spülgänge, da getrockneter Brei auch gut und gerne als Mörtel durchgeht und in einem Wohnmobil nun einmal nicht unbegrenzt viele Töpfe vorhanden sind. Zusammen mit den großen Spül- und unseren Waschgängen sind 140 Liter Wasser plötzlich gar nicht mehr so viel, wie es erscheint. Zumindest nicht so viel, um längerfristig irgendwo im Nirgendwo zu stehen.

Das Hauptproblem dabei ist gar nicht einmal so sehr das Frischwasser, sondern das Abwasser. Irgendwann ist der Tank voll und den Mix aus Essensresten und Spüli verklappt man nicht einfach in der Natur (die Toilette schon gar nicht). Man muss die nächste Dump Station ansteuern, weshalb wir es bei maximal zwei Tagen in der Wildnis belassen haben. Selbstverständlich kann man auch länger bleiben, allerdings sollte man sich in diesem Fall exakt über die Gegebenheiten der jeweiligen Campgrounds informieren. Die beste Anlaufstelle dafür ist die Website reserveamerica.com, die detaillierte Informationen zu den allermeisten State Parks bereitstellt. Wichtig ist hier neben den Informationen zu Strom und Wasser auch die Größe der verfügbaren Stellplätze. In den wirklich schönen Ecken war selbst unser für die USA vergleichsweise kleines Mobil mit seinen 7,6 Metern oft schon zu groß. Unser Fazit: erst Erfahrungen über den eigenen Verbrauch auf Full-Hookup Plätzen sammeln, danach in die Wildnis aufbrechen ;)

So viel zu den (für uns) wichtigsten Kriterien bei der Wohnmobiltour mit Kleinkind. Über die Reise als Anfänger könnten wir noch mindestens hundert weitere Punkte und Websites aufzählen, und vielleicht machen wir das auch irgendwann einmal. Dann jedoch in kompakter Form und besser nutzbar für Familien mit ähnlich „verrückten“ Ideen wie wir sie hatten und haben. Sollte sich doch irgendwer außer unseren Freunden auf diese Seite verirren, gibt es am Ende noch eine Liste mit RV Parks im Nordwesten, die wir anderen Eltern empfehlen können. Für uns geht es jetzt los in die Innenstädte von Berkeley und San Francisco. Wir melden uns bald zurück mit Impression dieser beiden wunderbaren Städte!

RV Parks geeignet für Kleinkinder

Geordnet von Nord (Washington) nach Süd (Kalifornien)

 

Ein Kommentar zu “Hätte, hätte, Fahrradkette – Stolperfallen bei der Rundreise mit Baby und Wohnmobil

  1. Ria Berkner

    Ich habe den Bericht aufmerksam gelesen und bin froh, dass ich nicht mehr mit einem Kleinkind auf diese Weise reisen muss. Ich hätte permanent Sorgen und Ängste gehabt. Gibt es auch so Reisepläne für Rentner?

    Ich freue mich schon auf die Berichte aus Berkeley und San Francisco.

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